Als Update zu Noch eine gute Nachricht vor dem Wochenende – egghat’s not so micro blog:
Um es noch einmal zu verdeutlichen: Die Saldierung der 55 Mrd. Schulden auf der einen Seite der Bilanz mit Wertgegenständen auf der anderen Seite der Bilanz ändert NICHTS an der Werthaltigkeit der FMS an sich (die Vermögen bzw. die Risiken sind genauso hoch wie vorher). Die Verrechnung ändert auch NICHTS an der Liquidität der Bank oder gar des Bunds. Es liegt auf keinem Konto auch nur ein Cent mehr als vor der Bilanzierungsänderung.
Das einzige, was sich ändert: Die Seite der Bilanz mit den Verbindlichkeiten der Bank ist jetzt um 55 Milliarden kürzer, genau wie die andere Seite der Bilanz (die Vermögen). Das ist durchaus wichtig, weil in der EU-Zählweise für die Staatsschulden bei verstaatlichten Banken die Verbindlichkeitsseite der Bilanz einfach 1:1 übernommen wird. Es wird also so getan, als wäre die gesamte andere Bilanzseite mit den Vermögen nicht da bzw. als sei die Vermögen allesamt nichts wert.
Im Fall von Irland ist das sehr entscheidend (und wurde von mir auch thematisiert und kritisiert), weil daraus über 30% der Staatsverschuldung entstehen. Das sind alles die Verbindlichkeiten der staatlichen Bad Banks. Wenn in deren Bilanzen die Vermögensseite aber mit vernünftigen Wertansätzen aufgeführt wurden, kann es gut sein, dass von diesen 30% nur wenig oder gar nichts übrig bleibt. Bei der Abwicklung der Bad Banks kann theoretisch sogar ein Gewinn entstehen. Gerade in Irland (ich schrieb es mehrfach) bin ich da nicht unoptimistisch. Die Iren haben die schlechten Assets, die in die Bad Bank übertragen wurden, um etwa 50% abgewertet (siehe IRLAND ZIEHT ZWEITEN SCHLUSSSTRICH UNTER DIE BANKENKRISE), es gibt also durchaus Anlass zur Hoffnung, dass die Wertansätze halbwegs fair sind. (Die Bewertung der Assets der FMS ist übrigens komplett unbekannt, was ich für einen kaum thematisierten Skandal halte).
Aber zurück zu Deutschland, zur FMS und Schäuble: Wenn von Milliardensegen für Schäuble die Rede ist (und die Überschrift (bzw. den Tenor) sieht man überall), ist das irreführend. Schäuble hat keinen Cent mehr Geld (auch nicht in Zukunft!), nur der nach Brüssel gemeldete Schuldenstand hat sich reduziert.
Update (30.10.11):
Nochmal ein Update dazu:
Guter detaillierter Artikel dazu bei den Querschüssen: Bad Bank als getarnte Wunderwaffe » Querschuesse (gefunden über Blicklog).
Die Saldierung, besser gesagt nicht vorgenommene Saldierung geht unter Umständen auf die Änderung der Bilanzierung von IFRS auf HGB zurück. Nach HGB (alte deutsche Bilanzierungsmethode, die aber für das Finanzamt immer noch maßgeblich ist) können Positionen und Gegenpositionen aggressiver miteinander verrechnet werden als nach IFRS. Die Verrechnung (also Saldierung), die jetzt vorgenommen wurde, war nach IFRS u.U. nicht erlaubt. (Übrigens darf auch nach der in den USA üblichen Bilanzierungsmethode US-GAAP offensiver saldiert werden. Die Hebel in den Bilanzen der Banken (Verhältnis Eigenkapital zu Bilanzsumme) sind also zwischen Europa und den USA nicht so einfach vergleichbar).
Es besteht natürlich auch die Möglichkeit, dass die FMS Positionen nicht nur saldiert, sondern wirklich aufgelöst hat. Also die eine Seite des Geschäfts verkauft und die andere Seite des Geschäfts gekauft hat. Allerdings wäre das – da bin ich mir sicher – genau wie die paar Milliarden Bilanzreduzierung sehr offensiv als Erfolg verkauft worden. Die Verluste, die inzwischen das EK auf magere 800 Millionen Euro haben schrumpfen lassen, kommentierte die FMS auch mit “Wir freuen uns über die positive Entwicklung” (siehe Die wunderbare Welt der Wirtschaft!: Die Bad Bank der HRE braucht nochmal 19 Milliarden Euro)
Und was ich auch völlig verdrängt hatte: Die HRE hat ein Derivate Portfolio mit einem Bruttovolumen von mehr als 820 Milliarden Euro. Bei 800 Millionen Eigenkapital.
Wow! Das ist mal ein Hebel …
Was ist weiter nicht verstehe: Warum an so vielen Stellen in der Presse getan wird, als wäre jetzt irgendjemand reicher als vorher. Die FAZ macht sich scheinbar schon Gedanken, was man mit den 55 Milliarden alles machen könnte …
Buchungsfehler bei Bad Bank: Was man mit 55,5 Milliarden machen kann – Wirtschaft – FAZ
Update 2 (21:53):
Und noch so ein Artikel, der nichts erklärt, aber Häme schüttet:
Milliardenfehler bei Hypo Real Estate – Wer Plus und Minus verwechselt – Geld – sueddeutsche.de
Dabei schaffen es die Journalisten auch nicht, die Nummer richtig zu erklären. Stattdessen drucken Sie lieber die an Plattheit kaum zu überbietenden Aussagen der Politiker mit ab: “Das Finanzsystem ist außer Kontrolle geraten”. Etc. pp. Bla bla.
Als könne man den Zustand des Finanzsystems an einer Bilanz ablesen. Und als wären Bilanzen nicht schon immer mit einer gewissen Unschärfe ausgestattet gewesen.
Update 3 (31.10.11):
Noch was zum Lachen 🙂
Der Postillon: Legendäres Bernsteinzimmer in Keller von Hypo Real Estate aufgetaucht
Update 4:
OK, letzter Nachtrag:
PWC hat eine Pressemitteilung herausgegeben (via @blicklog). Sind natürlich nicht Schuld (wer hätte es anders erwartet). Lustig daran aber die Idee von @TeraEuro, der die Pressemitteilung in den (das?) BlaBlameter geworfen hat, wo sie (wer hätte es anders erwartet) einen ziemlich hohen Wert von 0,75 erreicht …
Das Urteil:
“Ihr Text: 3173 Zeichen, 399 Wörter
Bullshit-Index :0.75Es stinkt gewaltig nach heißer Luft! Auch wenn Sie PR-Profi, Politiker, Unternehmensberater oder Universitätsprofessor sind – beim Eindruck schinden sollten Sie Ihre Aussage nicht vergessen.”
Update 5 (02.11.11):
Allerletztes Update:
Dirk Elsner vom Blicklog weist darauf hin, dass leider schon wieder nicht über die wirklich wichtige Frage: “Was ist das Zeug in der Bilanz eigentlich wert?” geredet wird. Was angesichts der Intransparenz der Bilanz der HRE für Außenstehende auch nicht möglich ist …
Intransparenz über Risiken der Bad Bank der Hypo Real Estate ist das Problem, nicht der “Buchungsfehler”